Wenn das so einfach wäre. Nein, "wegklicken" geht nicht. Für einen kurzen Moment kann man die Augen verschließen, doch dann sind sie wieder da, diese Bilder vom Hass
und der Gewalt in einer Welt, vor der wir uns nicht drücken können. Wir sitzen mitten drin, auch wenn unsere Sessel wohlgepolstert sind. Der Boden aber unter diesen Sesseln wackelt, und die Wellen
des Blanken Hans' schlagen schon an die Fensterkreuze. Wir hier im goldenen "Westen" einer angeblich zivilisierten Welt haben den Wind gesät, der jetzt als Sturm geerntet wird. Da helfen auch keine
höheren Deiche.
Immer mehr Wachstum singend tanzen wir um unsere goldenen Kälber. Sie aber sind ungenießbar für Menschen mit Hunger. Der Hunger der Körper und der Hunger der Seelen nach Freiheit und Gerechtigkeit
wird nicht gestillt, wenn wir den Markt predigen. Einen "Markt", der nicht durch den Mechanismus von Angebot und Nachfrage gesteuert wird, sondern von brutaler Habgier und der verordneten
Konsumdroge.
Niemand kann sagen, er hätte das nicht gewusst und wäre deswegen unschuldig. Wir wissen es alle. Da hilft kein Wegklicken.
Im neuen Jahr werde ich wohl wieder ein paar brave Bildchen knipsen oder etwas Poesie verbreiten, vielleicht werde ich mich nicht ganz heraushalten und mir mit ein paar zornigen Worten Luft
verschaffen, vielleicht auch irgendwo demonstrieren und dann glauben, ich sei auch nur ein Tropfen, der verdampft bevor er den heißen Stein erreicht. Doch bei alle dem bleibt vielleicht die kleine
Hoffnung, dass der stete Tropfen den Stein höhlt und dass viele solcher Tropfen ein Meer werden könnten……..
In diesem Sinne wünsche ich euch, meine lieben Freundinnen und Freunde ein hoffnungsvolles neues Jahr. Es war schön, dass ihr mich im vergangenen hier und da ein Stück des Weges begleitet habt.
Wir werden uns sehen, irgendwo im Meer, und dann werden wir uns erkennen!
(30.12. 2014)
Natürlich war früher alles besser. Wir waren jünger und vor allem hoffnungsvoller. Immer mehr klagen wir, dass wir zu wenig Zeit hätten. Andere meinen, wir
verplemperten unsere Zeit. Leichtfertig gingen wir mit unseren Talenten und Begabungen um. Gottvergessen würden wir ums Goldene Kalb tanzen. So ähnlich las ich es in einem Wort für die 54. Woche.
Umkehren solle ich. Nicht umkehren in der Zeit, sondern auf dem falschen Weg sei ich unterwegs. Ich hätte mich von Gott losgesagt und Jesu sei meine Umkehr. Und in dieser Umkehr solle ich mich auf
meinen Acker beschränken, die Welt sei zu groß für mich.
Das beschäftigt mich. Es beschäftigt mich schon immer. Vermutlich beschäftigte das auch schon alle Generationen vor mir. Und? Hat es geholfen? Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Irgendwelche
Statistiken bemühen und feststellen, dass es besser geworden ist, weil die gewählten Bezugspunkte keine andere Feststellung erwarten lassen. Wechselt man sie, dann kommen beliebig andere Ergebnisse
hervor. Oder ich gehe nach dem gefühlten Zustand der Welt und den gefühlten früheren Zeiten. Dann käme vermutlich heraus, dass das Risiko des Unterganges größer geworden sei. Weltweit wird zur Umkehr
aufgerufen, doch die Risiken steigen.
Meine Lebensmitte war geprägt von der Feststellung, die Mächte hätten Waffen angesammelt, mit denen man die Welt mehrfach auf einen Schlag vernichten könnte. Die kalten Krieger predigten die
Aufrüstung, weil nur Abschreckung helfen könne. Auch heute verteidigen sie dieses Konzept und erklären im gleichen Atemzug, man müsse abrüsten. Aber gerade das geschieht nicht wirklich, sondern
bestenfalls symbolisch für den schönen Schein.
Meine Lebensmitte war geprägt vom vermeintlichen Wirtschaftswunder. Und heute wundern wir uns, warum vom Wachstum kein wirklicher Segen ausgeht. Bei der Jagd nach Ressourcen verbrauchen und zerstören
wir die Lebensgrundlagen aller Menschen, besonders derer, die wegen uns weltweit hungern und sterben. Das ist auch ein Weltkrieg.
Meine Lebensmitte war geprägt vom Aufwachsen unserer Kinder. Habe ich genug getan, dass ihre Hoffnung über den Tag hinaus reicht? Ich sehe sie auf einem guten Weg. Vermutlich sind sie schon öfter
umgekehrt als ich. Das wäre doch ein Fortschritt – oder?
Für das neue Jahr wünsche ich uns die Hoffnung, die es braucht, um auf Wegen umkehren zu können, die keine wirkliche Zukunft bedeuten.