Die Ostsee und ein älterer Herr

„Eine englische Silhouette ist das, auf der ein älterer Herr ganz alleine unterwegs ist.“ Als ich das am Steg sagen höre, haut es mich doch glatt aus der Koje. Und das nachdem ich gerade einen neuen Geschwindigkeitsrekord mit Little Wonder hinter mir habe. Von wegen „älterer Herr“ – obwohl: ‚Alter’ ist eben doch auch relativ.

Aber fangen wir am Morgen an. Um 10.00 Uhr Leinen los in Maasholm. Mein Stegnachbar wünscht gute Fahrt. Hinaus aus dem Hafen, die Tücher hoch. Im Groß ein Reff, denn es bläst bereits mit 4 bis 5 Windstärken. Bei halbem Wind passiere ich unter Segeln Schleimünde und gehe dann an den Wind auf die Ostsee hinaus. 180 Grad Kompasskurs müsste ich laufen, doch wie erwartet kann ich nur 130 anlegen. In der Welle holt Little Wonder mächtig über. Ein schönes Gefühl. Nach mehreren Kreuzschlägen liegt Schleimünde achteraus. Doch Damp will nicht näher kommen, und es frischt weiter auf. Little Wonder vor den Wind gebracht rauscht raumschots nur so dahin. Unterwegs treffe ich die Freunde von Olaf und Bärbel. Wir rufen uns durch den Wind Grüße zu. Nachher drehen sie auch zurück in die Schlei. Sie kommen abends in Kappeln auf einen kurzen Plausch an mein Schiff.

Die Schlei hinauf segle ich am Wind. Bei der Einfahrt Schleimünde, wo es verdammt eng ist, halte ich mal die Luft an, aber ich widerstehe der Versuchung, den Außenborder anzuwerfen, was wohl auch wenig gebracht hätte. Maasholm bleibt querab. Ich nähere mich den Enge vor Grauhöft und schüttele das Reff aus dem Groß. In dem Bemühen neben dem Fahrwasser aufzukreuzen bekomme ich bei einer Sandbank einmal kurz Grundberührung. Als es unter mir knirscht schaue ich erschrocken ins Wasser und sehe weißen Sand. Gott sei Dank war ich mit der Nase wieder in Richtung Fahrwasser, so dass die Sache mit einem gehörigen Schrecken abgegangen ist. Nachher staune ich jedoch, dass ich doch recht gelassen geblieben war.

Jetzt aber die Tücher runter und die Windbüchse an. Mit einem Pulk von Dickschiffen mit blubbernden Dieselmotoren passiert Little Wonder die Drehbrücke von Kappeln. Kurz dahinter mache ich an meinem alten Platz wieder an den Stegen fest. Ein frisch gezapftes Bier im ASC-Restaurant am Yachthafen beendet das vorerst gut überstandene Ostseeabenteuer.

Morgen früh will ich zeitig nach Schleswig aufbrechen. In Gedanken spiele ich noch mit einem Törn nach Höruphavn, falls sich die Wetterlage stabilisieren sollte. Das Barometeraber ist wieder 2 Striche gefallen. Na ja: Als „älterer Herr“ hat man halt Geduld. Der Lifebelt, den ich heute auf der Ostsee angelegt hatte, ist aber nicht Zeichen des aufkommenden Alters sondern gute Seemannschaft beim Einhandsegeln. Jedenfalls: ein schöner Segeltag!

Nächstes Kapitel.

 

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Wie die Welt aussieht hängt von der Perspektive ab, aus der heraus man sie betrachtet. © Gerhard Falk