Lieber Feste feiern als feste arbeiten

 

 

Der neue Tag ist da. Heute Morgen lugt die Sonne schon öfter durch ein Wolkenloch, oder scheint es mir nur so? Jedenfalls sagt der Wetterbericht von gestern Abend noch Windstärken von 7 – 8 Bf. für die westliche Ostsee an. Um 7.30 Uhr stand ich schon unter der Dusche. Beim Frühstück denke ich wieder an meine Familie. Holger ist jetzt auf Fahrt mit seinem Kanu, seinem Schäferhund Berry und Freund Piff.

Wieder genieße ich das Gefühl, Zeit zu haben und alles mit Bedacht und ohne Eile tun zu können. Doch hin und wieder kommt die alte Ungeduld durch: Was tue ich jetzt, wann kann ich ablegen und einen neuen Hafen anlaufen? Aber: ich habe ja Zeit, ich muss nicht konsumieren, ich muss nicht alles herausholen aus einem Augenblick, ich kann es geschehen lassen.

Auf dem Steg und im Hafen wird es lebendig. Leute kommen und gehen, Kaffeeduft zieht von den Schiffen. Zum Kaffee esse ich Dänenbroet und darauf schwarze Johannisbeermarmelade. Am gestrigen Abend hatte ich Tomatensalat mit Gaudastreifen und gekochten Eiern. Für Sonntag werde ich wieder einen frischen Salat vorbereiten. Nachher werde ich zum Segelmacher gehen und mich nach einer Sturmfock für Little Wonder erkundigen.

Ich habe jetzt einen 3-Tage-Bart und hinterlasse sicher bei den Leuten den Eindruck wie Kater Carlo, aber es schert mich wenig. Im Halsbereich werde ich ihn etwas abschaben, damit ich den Umgang mit diesen Zivilisationsinstrumenten nicht ganz verlerne. So – neuer Tag, lass sehen was du mir bringst.

Am Großbaumschlitten setze ich eine Schraube in den angebrochenen Bereich, weniger eine Sicherheitsmaßnahme, als dass die Sache in Ordnung geht. In einer Gewitterböe am Edersee war der Schaden einige Tage vor meiner Abreise entstanden. Olaf von der Gioia leiht mir einen Kreuzschlitzschraubendreher, den ich nicht in der passenden Größe bei meinem Bordwerkzeug finde. Seine Freundin Bärbel hat – wie ich dabei erfahre – ihr Waldhorn dabei, weil man sich ein Nebelhorn nicht extra kaufen wollte. Gegenseitig besichtigen wir unsere Schiffe, und ich gebe ihnen meine Genua, falls ihre Fock nach der Reparatur bei leichten Winden nicht mehr so gut stehen sollte. Man freut sich, und ich auch, weil ich helfen konnte. Morgen soll das Wetter besser werden, na hoffentlich!

Das Radio spielt alte Beatles-Songs. Es ist mitten in der Nacht. Ein schöner Abend geht zu Ende. Mit Bärbel, Olaf, Michael und seiner Freundin haben wir gemeinsam das Arniser Stadtfest „heimgesucht“ mit viel Flensburger, Holsten und Schultheiß, und wer weiß wie viel anderen Bieren. Es war schön! Morgen noch ein Hafentag. Montag geht es los, schleiaufwärts bis das Wetter besser wird und die Dünung auf der Ostsee nachgelassen hat. Die Schrift in meinem Tagebuch lässt die Zahl der Bierchen deutlich erkennen. Gute Nacht!

Nächstes Kapitel.

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Wie die Welt aussieht hängt von der Perspektive ab, aus der heraus man sie betrachtet. © Gerhard Falk