Montag

 

 Meine Kaffeemaschine röchelt nach wie vor. Allerdings scheint sie sich dabei mehr Zeit zu lassen als früher. Vielleicht ist es ein Zeichen der Überanstrengung? Selten hat für mich ein Montag so schön begonnen wie dieser. Eine vor der Kur regelmäßig gut passende Hose ist zu weit. Ich glaube die Kilos purzeln. Ohne Wochenangst auf der Bettkante sitzen und sich wohl fühlen ist ein schönes Erlebnis. Jetzt muss ich noch im Kopf wieder frei werden. Das Wetter ist trübe aber trocken. Heute steht UWM an, allerdings erst um 11.00 Uhr. Ich werde zu Fuß gehen. Strolch schimpft in seinem Zwinger vor sich hin. Schließlich legt er sich doch vor die Hütte. Die Kaffeemaschine unternimmt einen letzten Versuch heute doch noch fertig zu werden. Die dritte Woche beginnt. Sie soll den entscheidenden Durchbruch beim Kurerfolg bringen. Jetzt kommt kurz die Sonne durch; ich bin hoffnungsvoll! 

 

Dienstag

 

 Vor der Krankengymnastik hole ich das für Frau Wagner von mir bestellte Buch „Erinnerungen an die Zukunft“, von Erich von Däniken, Taschenbuch 8,80 DM. Sie hatte gestern so begeistert erzählt, dass sie die Maja-Kultur und die Chinesen so interessant findet; im Übrigen sei sie auch der Meinung, dass Außerirdische schon auf der Erde gewesen seien. Ich frage sie, ob sie Bücher des Schriftstellers Däniken kenne. Davon erzähle ich ihr dann. Der Gedankenblitz kommt mir auf dem Heimweg, und ich bestelle die Taschenbuchausgabe. 

 

 

Nach der Gymnastik stecke ich ihr das Buch zu. Sie ist total überrascht, will sich den Titel aufschreiben, weil sie meint es sei mein Exemplar, will mir dann das Geld dafür wiedergeben, springt mir um den Hals als ich ihr erkläre, dass dies ein Geschenk sei. Na ja, dass hat mir schon etwas geschmeichelt, doch die Leser mögen sich beruhigen, sie könnte meine Tochter sein. 

 

 

Am Nachmittag fahre ich mit dem Fahrrad in die Granitz in Richtung Sellin, biege dann ab nach Graffitz und fahre von dort mit dem Rasenden Roland zurück nach Binz, mein Fahrrad im Gepäckwagen. 

 

Mittwoch

 

 

 Der Sturm, der gestern Abend begonnen hat, hält auch heute Morgen an. Er hat Regen mitgebracht, das lässt die Kälte so richtig spüren. Meine Kaffeemaschine röchelt wieder ihr altes Lied. Ich hoff rechtzeitig fort zu kommen, um noch eine Karte für Frau Bauer zu kaufen. Ich will ihr eine Kleinigkeit schenken, sie hat mich immerhin 14 Tage betreut, als Frau Wagner im Urlaub war. Bei ihr war die Gymnastik immer schweißtreibend. Ich glaube sie ist eine von den in der DDR fest verwurzelten Frauen; ich schätze sie auf Ende 30, während Frau Wagner vielleicht Anfang 20 ist. Bei der Gymnastik bevorzugt sie den großen Ball, wie ihn Irene hat. Von draußen höre ich durch die offene Türe einen Specht klopfen, das Zeichen für mich an meinen Kaffee zu denken, doch die Maschine erklärt mit heißerem Röcheln, dass sie noch nicht fertig sei. 

 

 

Am Nachmittag durchstreife ich Stralsund. Herrliche mittelalterliche Architektur. Ich gewinne viele neue Eindrücke. Immer mehr weht das Flair der alten DDR in die Vergangenheit. Ich meine es den Menschen nur noch vereinzelt anzusehen, wie sie die DDR geprägt hat. Dennoch hört man aus den Gesprächen noch viele Vergleich mit früheren Zeiten. Allgegenwärtig sind die Probleme von Arbeitsplatz, Wohnung und Zukunftsplänen. Fast in jedem Gesprächsfetzen, den ich auffange, werden diese Themen angesprochen. Autos und alles drum herum haben einen weiteren hohen Stellenwert in der Interessenskala. Viele Fahrer zeigen hier ihr neues Selbstwertgefühl. 

 

 

Abends besuche ich das Studiotheater im ehemaligen Brauhaus. Ein Musical „Das musikalische Himmelbett“ wird aufgeführt. Ich sitze in der ersten Reihe und habe so hautnahen Kontakt u den Künstlern. Ich bin gefangen von diesem Erlebnis. Gleich am Anfang in der ersten Szene kommt der Hauptdarsteller singend auf mich zu und schüttelt mir bei passender Stelle zur Begrüßung die Hand. Auch das Thema des Stückes mit der Musik von Tom Jones nimmt mich gefangen. Man könnte es auch „Szenen einer Ehe“ nennen. Ich entdecke so manche Parallele. Beschwingt fahre ich nach Hause, um 0.30Uhr erst gehe ich zu Bett und lese noch bis ca. 2.00 Uhr. 

 

Donnerstag

 

 

 Nach der Gymnastik mit oder besser bei Frau Wagner fahre ich nach Greifswald. Eine Interessante Universitätsstadt, wo die Uni allgegenwärtig ist. Die Studentinnen und Studenten beherrschen das Straßenbild, jedenfalls im Zentrum, wo ich mein Auto abgestellt habe, um mit dem Regenschirm in der Hand um die Häuser zu streichen. 

 

 

Im Stehkaffee belausche ich an meinem Tisch das Gespräch zweier Universitätslehrer. Es geht ums Geld. Sparmaßnahmen, Umschichtungen, gegen die man sich wehrt, Kommentierung von Strategien der Kollegen, dann ums aktuelle Einkaufsangebot von Tschibo-Verkaufsartikeln, schließlich noch um die Mensa. Hier würde es Holger gut gefallen. Eine Stimmung in der Stadt, die seiner Veranlagung entgegenkäme. Radfahrer flitzen überall. Hier ist alles flach und noch radfahrerfreundlich. Um jede Ecke eine Baustelle. 

 

 

Ich bummele mit dem Auto hinaus zur Wiek. Ein kleiner Hafen fesselt mich, in dem die Greif vertäut liegt, ein Zweimaster mit breit ausladenden Rahen. 

 

 

Auf der Rückfahrt mache ich hier und da Halt. In einem abgelegenen Gasthof am Ufer des Straelesunds schon wieder auf Rügen nehme ich meinen Fünf-Uhr-Tee und genieße dazu einen heißen Apfelstrudel. Eine sympathische Oma bedient mich und erzählt von der Fähre, die hier bis 1944 anlegte, von hohem Eisgang, der früher oft alle Steganlagen wegriss. In den letzten Jahrzehnten habe es ja keine richtigen Winter mehr gegeben. Jetzt sei man ganz zufrieden. Am Wochenende und insbesondere im Sommer habe man viele Ausflugsgäste. Die Tochter führe jetzt den Betrieb. 

 

 

Aus der Küche höre ich einen Jungen mit anderen Stimmen über die Hausaufgaben diskutieren. Eine Frauenstimme diktiert langsam Sätze ins Schulheft: „Ich freue mich auf die Ferien, weil ich dann zum Schwimmen gehen kann“, der Junge buchstabiert einzelne Worte laut vor sich hin.  

 

 

Mein Abendessen, das ich mir in der Datscha zubereite, besteht aus Naturreis, Zwiebeln, Porree und Champignons.

 

Nächstes Kapitel.

Druckversion | Sitemap
Wie die Welt aussieht hängt von der Perspektive ab, aus der heraus man sie betrachtet. © Gerhard Falk